![Bundestagswahlen? Was WIR wollen! Bundestagswahlen? Was WIR wollen!](https://stuttgart.organisierte-autonomie.org/wp-content/uploads/2025/02/Wahl_header.jpg)
Bundestagswahlen? Was WIR wollen!
8. Februar 2025 Aus Von Frauenkollektiv StuttgartDie Ampel-Regierung ist zerbrochen und am 23. Februar wird es Neuwahlen geben. Wir sehen immer mehr Wahlplakate um uns herum hängen, es wird mit Zuversicht, plakativen Sprüchen und Angstszenarien um unsere Stimmen geworben. Doch wie sieht das ganze Spektakel aus feministischer Sicht aus? Inwiefern betrifft uns das Thema Wahlen und ein Wechsel in der Regierung als Frauen* besonders?
Aus einer feministischen Perspektive wird deutlich, dass die etablierten Parteien, trotz ihrer Bemühungen um Gleichstellung, nicht ausreichend gegen tief verwurzelte patriarchale Strukturen in Deutschland kämpfen. Parteien wie die Linke, die Grünen und die SPD haben zwar positive Ansätze, doch diese bleiben oft an der Oberfläche und adressieren nicht die systematische Benachteiligung von Frauen.
Die Grünen fordern eine Erhöhung der Frauenquote in Führungspositionen und Parlamenten. Dies ist ein Schritt in die richtige Richtung, doch eine Quote allein reicht nicht aus, um die zugrunde liegenden Machtverhältnisse zu verändern. Solange das System nicht hinterfragt wird, bleibt der Einfluss von Frauen in Politik und Wirtschaft begrenzt. Die SPD setzt sich für eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein, etwa durch den Ausbau von Kita-Plätzen. Auch hier ist die Intention lobenswert, doch ohne eine grundlegende Umverteilung der Care-Arbeit wird sich die gesellschaftliche Stellung von Frauen nicht nachhaltig verbessern. Bitter für Frauenrechte ist hingegen das Programm der CDU, bei dem die Gleichstellung der Geschlechter keinerlei Erwähnung findet.
Um letztendlich patriarchale Strukturen zu zerstören, bedarf es einer umfassenden Systemänderung, die über punktuelle Maßnahmen hinausgeht. Es ist notwendig, die gesellschaftlichen Normen und Werte zu hinterfragen, die Frauen in ihrer Selbstbestimmung einschränken. Deshalb haben wir uns überlegt, was es braucht, um eine gerechtere Gesellschaft für Frauen zu schaffen:
1. wir fordern: Selbstbestimmungsrecht über den Körper
Politik muss sich für die Selbstbestimmung von Frauen über den eigenen Körper einsetzen. Wir fordern:
-
Restlose Streichung des § 218 aus dem Strafgesetzbuch
Der Schwangerschaftsabbruch muss eine Leistung im Rahmen der Gesundheitsversorgung sein. Wir fordern einen kostenlosen und niederschwelligen Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen durch ausgebildete Fachärzt*innen.
-
Qualifizierte Beratungsangebote
Wir fordern ergebnisoffene Beratungsangebote, die freiwillig, standortnah und an die individuelle Lebenslage der Schwangeren angepasst sind.
-
Versorgung und Bildungsangebote
Wir fordern die kostenlose Versorgung mit (Notfall-)Verhütungsmitteln und Menstruationsprodukten sowie Investitionen in Angebote der sexuellen Bildung, die darauf abzielen patriarchale Strukturen zu demaskieren und abzubauen.
2. wir fordern: Geschlechtergerechtigkeit in der Lohnarbeit und Carearbeit
das bedeutet:
-
Care-Arbeit vergesellschaften
Pflege und Hausarbeit sind keine Privatangelegenheit – sie müssen gerecht verteilt und öffentlich unterstützt werden. Noch immer verrichten besonders Frauen den Großteil der unbezahlten Care-Arbeit. Wirtschaftliche Abwertung, Unsichtbarkeit und niedrige Renten bis hin zur Altersarmut sind häufig die Folge. Wir fordern den Ausbau öffentlicher Betreuungsangebote und eine bessere Anerkennung von Care-Arbeit in der Rente.
-
Bildung als Schlüssel für Gleichstellung
Kinder übernehmen bereits in den ersten Lebensjahren stereotype Vorstellungen darüber, was als „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ gilt. Spielzeug, Kleidung, Medien und Erziehungsstile fördern oft geschlechtsspezifische Unterschiede, die später in Bildungs- und Berufsentscheidungen münden und echte Gleichstellung verhindern. Wir fordern eine geschlechtergerechte Bildung ab der frühen Kindheit in der Rollenklischees aufgebrochen und Chancen geschaffen werden!
-
Gender Pay Gap schließen
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit – endlich Taten statt Worte!
Frauen verdienen weltweit durchschnittlich weniger als Männer – weil sie in Berufen arbeiten, die schlechter bezahlt werden, seltener in Führungspositionen vertreten sind, auch im selben Job oft Gehaltsunterschiede bestehen und Frauen häufiger in Teilzeit arbeiten. Wir fordern transparente Löhne, die Aufwertung sozialer Berufe und eine gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit.
3. wir fordern: Gewalt gegen Frauen stoppen
Das Jahr hat erst begonnen und Aktivistinnen zählen bereits den 7. Femizid in Deutschland. Femizide sind die Spitze patriarchaler Gewalt – Gewalt gegen Frauen hat System. Der Staat schützt Frauen nicht nur nicht ausreichend vor Gewalt, er begünstigt Verhältnisse, die Frauen klein halten und ihnen erschwert sich von gewalttätigen Partnern zu trennen.
-
Wir wollen in Verhältnissen leben, die frei von patriarchaler Gewalt und Unterdrückung sind. Es kann nicht sein, dass es die Aufgabe der Frau ist, sich vor Übergriffen und gewalttätigen Männern zu schützen. Daran muss sich grundlegend etwas ändern! Weg mit Rollenbildern und einer Erziehung, die Mädchen* beibringen Machoverhalten und Übergriffe nicht zu „provozieren“.
Protect your daughtersEducate your son! -
Wir fordern eine Verschärfung des Gewaltschutzgesetzes, das Betroffene häuslicher Gewalt und anderer Nachstellungen durch eine engmaschigere Überwachung von Tätern besser schützt. Das neue Gewalthilfegesetz, das einen rechtlichen Anspruch auf Schutz und Beratung beinhaltet ist ein guter Anfang – die Umsetzung 2030 ist uns nicht schnell genug! Täglich werden Frauen* von Schutzhäusern abgewiesen – aus Kapazitätsmangel oder weil die Frau keine gesicherte Finanzierung für den Platz vorweisen kann.
Gewalt gegen eine ist Gewalt gegen alle.
4. wir fordern: internationale Solidarität
Es ist wichtig, dass die Rechte von Frauen nicht nur innerhalb der BRD betrachtet werden. Probleme müssen über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg bekämpft werden. Vor allem in Kriegsgebieten sind Frauen und Kinder besonders von Unterdrückung und Gewalt betroffen.
-
wir fordern Politik, die sich, unabhängig von ökonomischen und imperialistischen Interessen, für die Rechte aller Geschlechter gleichermaßen einsetzt.
-
Wir solidarisieren uns mit der internationalen Frauenbewegung, nur gemeinsam können wir etwas verändern!
5. wir fordern: Echte Gleichstellung
Im Bundestag 2021 sitzen beinahe doppelt so viele Männer als Frauen, die über unser Leben entscheiden. In der Wirtschaft haben sogar noch weniger Frauen in Führungspositionen die Möglichkeit, Einfluss zu nehmen. Grund dafür sind tiefgreifende strukturelle Benachteiligungen in unserer Gesellschaft.
Deswegen setzen wir uns ein für
-
echte Gleichstellung in Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft – aller Geschlechter und aller Bevölkerungsgruppen,
-
die verbindliche Frauenquote, denn sie ist ein erster Schritt hin zu einer Gesellschaft ohne Patriarchat und Kapitalismus, in der es stattdessen basisdemokratische und lokale Entscheidungsstrukturen gibt.
Für uns ist klar, dass wir uns der AfD und dem Rechtsruck im Wahlkampf und bei der Wahl entgegenstellen wollen, denn wir als Frauen, aber auch weite Teile der Gesellschaft, haben dabei nur zu verlieren. Doch wie wir gezeigt haben kann die Lösung nicht nur sein, das Kreuz einfach an einer anderen Stelle zu machen, zumal der Diskurs sich immer weiter nach rechts verschiebt und die großen Parteien Teil des Rechtsrucks sind. Wir müssen die Veränderung in unsere Hände nehmen. Wir müssen aktiv sein und werden, für eine grundlegende Veränderung hin zu einer solidarischen Gesellschaft jenseits von Patriarchat und Kapitalismus. Dafür müssen wir uns als Frauen, Nachbar*innen, Freund*innen, Queers usw. solidarisieren, Banden bilden, organisieren und für unsere Befreiung einstehen!
Denn Frauen die kämpfen sind Frauen die leben!
* Wir setzen das Wort Frau/Frauen für Personen, die sich als Frau definieren und/oder von der Gesellschaft als Frau gelesen werden und somit ähnliche Erfahrungen machen.
Über den Autor
Das Frauenkollektiv Stuttgart gibt es seit 2016. Wir treffen uns regelmäßig und arbeiten zu verschiedenen Themen miteinander. Wir sind eine Gruppe von Frauen, die sich zum Ziel gesetzt haben, gegen die patriarchalen Strukturen in der Gesellschaft, gegen den herrschenden Sexismus und gegen die doppelte Unterdrückung der Frau in der Gesellschaft vorzugehen. Dabei sehen wir uns als Teil der linken Bewegung, die für die Befreiung aller Menschen und gegen Ausbeutung, Unterdrückung, Hierarchien und Diskriminierung kämpft. Nähere Infos hier und unter: Instagram | Facebook | YouTubeKontakt: frauenkollektiv [aet] riseup [dot] net