Flugblatt: Strobl spricht – Polizist schießt: Zu dem Mord an einem jungen Erwachsenen in Stuttgart-Ost

Flugblatt: Strobl spricht – Polizist schießt: Zu dem Mord an einem jungen Erwachsenen in Stuttgart-Ost

6. August 2025 Aus Von organisierte autonomie Stuttgart

In der Nacht auf den 1.7.2025 wurde ein junger Mann in Stuttgart-Ost von der Polizei erschossen. Vorausgegangen war dem eine Auseinandersetzung in einer Stuttgarter Kneipe. Dabei verletzte der junge Erwachsene einen zweiten Mann schwer und floh anschließend. In einem Gartenstück wurde er beim Versuch, über einen Zaun zu springen und erkennbar unbewaffnet, durch einen Schuss in den Rücken ermordet.

Er ist damit der zweite durch die Polizei erschossene Mensch in unserer Region innerhalb weniger Tage. Auch der 21-jährige Lorenz, der im April in Oldenburg von 4 Kugeln von hinten getroffen wurde, steht exemplarisch für eine Polizei, die immer tödlicher agiert – und eine Politik, die das rechtfertigt, selbst wenn den Menschen in den Rücken geschossen worden ist.

Der Umstand, dass die Menschen zuvor jemanden verletzt haben sollen, darf niemals als Rechtfertigung dienen, diese mit tödlicher Gewalt zu „bestrafen“. Dieses Handeln ist kein Schutz, sondern Mord.

Immer mehr Gewalt … von der Polizei

Denn alleine in Baden-Württemberg gab es 2025 bereits 7 Tote durch Polizeischüsse, auf Bundesebene sind es 15. 2024 gab es auf Bundesebene 22 Tote und damit waren es doppelt so viele wie im Vorjahr.

Begründet wird die zunehmende Gewalt durch Polizei mit der sich angeblich zuspitzenden Gefahrenlage, der Ausweglosigkeit der Situationen und der Sicherheit, die es zu schützen gilt – aber wenn wir uns diese Fälle – ja diese Morde – mal genauer anschauen, dann stellt sich die Frage:

Welche Gefahr geht von einem fliehenden Menschen aus? Welche Gefahr geht von jemandem aus, dem die Polizei in den Rücken schießt? Und um wessen Sicherheit geht es denn hier?

Bei den genannten Fällen wird klar: Nicht die Gefahrenlage sind der Grund für diese Tötungen. Nein, es ist die gesellschaftliche Stimmung und die verbale und militärische Aufrüstung nach innen, die diese Tötungen mit verursachen.

Eine Aufrüstung, die durch angstschürende Medien legitimiert und aktiv durch die Politik vorangetrieben wird.

Abgedrückt hat ein*e Polizist*in – gefördert durch Institution und Politik

Die Entscheidung, den Abzug zu drücken, traf jeweils ein*e Polizist*in – in dem Wissen, dass dadurch ein Leben ausgelöscht werden kann. Diese Person konnte den Abzug aber auch in dem Wissen drücken, dass der Schuss von der Institution Polizei ebenso gedeckt werden würde wie auch seitens der Politik.

So muss auch die Aussage des baden-württembergischen Innenministers Strobl eingeordnet werden, der nach der Erschießung eines Mannes Ende Juni im Landkreis Göppingen sagte:

„Wer mit einem Messer einen Polizisten angreift, hat sich entschieden, nicht mehr zu leben“ und dann nach einer kurzen Pause hinterherschob: „nicht mehr in diesem Land zu leben.“

Damit verdrehte Strobl das Opfer zum Täter und gab der Person selbst die Schuld. Im Klartext heißt das: Wer aus polizeilicher Sicht subjektiv den Anschein erweckt, Gewalt gegen Cops und Vollzugsbeamt*innen anzuwenden, darf erschossen werden.

So die öffentlich geäußerte Anweisung von Innenminister Strobl – dem wohlgemerkt die Polizei untersteht und die nicht anders als Vorablegitimierung von weiteren Schüssen verstanden werden kann.

Oder anders gesagt: Strobl spricht – Polizist schießt.

Der Rechtsstaat gilt nicht für alle …

Bei den genannten Tötungen fällt auf: Es gab kein Wort von Abwägung der Mittel, kein Wort von Verhältnismäßigkeit, kein Wort von Verantwortung der Exekutivorgane – oder anderen liberalen Phrasen, die man sonst so kennt.

Man könnte schon fast meinen, dass der bürgerliche Staat nicht einmal mehr versucht, den Anschein zu wahren, dass es sich um den viel zitierten Rechtsstaat handle.

Und das zeigt sich auch an vielen weiteren Punkten – so z.B. auch in der Abschiebepolitik der BRD: Da wird verbal gegen Geflüchtete gehetzt, von einem vollen Boot fabuliert und Geflüchteten fundamentale Menschenrechte abgesprochen. Gleichzeitig werden rechtlich nicht haltbare Abschiebungen beispielsweise nach Afghanistan durchgeführt. Und damit wissentlich das eigene Recht gebrochen und unumkehrbare Fakten geschaffen. Denn: Einmal in Afghanistan angekommen, ist es fast unmöglich, sich den Weg zurück nach Deutschland zu erstreiten.

Auf die gleiche Art und Weise kann man sich auch unliebsamer Akteur*innen entledigen – wie das Beispiel der non-binären Antifaschist*in Maja zeigt: Maja wurde unrechtmäßig nach Ungarn ausgeliefert. Auch hier wurde bewusst Recht gebrochen, die verantwortlichen Beamt*innen gedeckt und damit ein schwer umkehrbares Verhältnis geschaffen, das als Willkür benannt werden muss.

Aber auch Demonstrationen und Proteste – überall und auch hier in Stuttgart – werden, wenn sie zu unliebsam werden, mit der Gewalt des Staates angegriffen, mit Redeverboten belegt und zu verhindern versucht.

Die Liste der Beispiele ließe sich leider noch fortführen – die Folge ist, dass Menschen abgeschoben werden, die Polizei immer öfters Menschen erschießt und willkürliche, völlig unverhältnismäßige Gewalt anwenden – und die ausführenden Uniformierten haben dabei – selbst wenn sie Recht brechen – die Rückendeckung und auch den Wunsch, genau so zu handeln, aus Institutionen und Politik.

… und Rechtsbruch hat System

Die genannten Fälle – tödliche Polizeieinsätze, rechtswidrige Abschiebungen und der Schutz großer Konzerne trotz Gesetzesverstößen – mögen auf den ersten Blick unterschiedlich erscheinen. Doch sie folgen einer gemeinsamen Logik:

Staatliche Gewalt, Kontrolle oder Unterdrückung trifft besonders oft Menschen, die wenig gesellschaftliche Macht besitzen und die Kritik an Staat und den hiesigen Verhältnissen haben, die dort immer deutlicher werdenden Widersprüche aufzeigen oder aber als ökonomisch störend und nicht verwertbar kategorisiert werden. – Geflüchtete, Marginalisierte, Linke.

Denn wenn sich Konzerne nicht an Umweltauflagen halten, erhalten sie statt Vorverurteilung durch die Politik eher Schützenhilfe für ihre dreckigen Machenschaften. Ebenso bekommen diese Politiker*innen wundersame Gedächtnislücken oder ganz neue Moralvorstellungen, wenn es um verschwundene Cum-Ex-Milliarden oder korrupte Maskendeals geht – gleichzeitig feiern sie jede neue, noch höhere Abschiebestatistik wie einen Lottogewinn und liefern sich einen Überbietungswettbewerb darin, wer auf Menschen am Existenzminimum noch härter eintreten und ihnen noch mehr wegnehmen kann.

Das Muster ist klar: Der Staat schützt nicht alle gleich – sondern agiert oft repressiv nach unten und nachsichtig nach oben. Polizeigewalt, Abschiebungen und Konzernprotektion sind keine Einzelfälle, sondern Ausdruck dieses Systems.

Es gilt das Recht des Stärkeren

So wird klar, für wen dieser Staat, die sog. Staatsmacht in Form von Polizei, Justiz und Institutionen und die sogenannten demokratisch legitimierten Volksvertreter*innen da sind:

Nämlich nicht für uns – die Klasse der Lohnabhängigen –, sondern für die Besitzenden, die Milliardär- und Millionär*innen, für diejenigen, die ihren – von uns produzierten – Reichtum nicht teilen wollen. Es ist der Staat der Reichen und Mächtigen und nicht unserer. Es ist der Staat, der im Klassenkampf von oben agiert und dorthin weiter umverteilt.

Dieser Staat ist es, der uns bekämpft, der Menschen in den Rücken schießt, der uns klein halten soll und jegliche gesellschaftliche Emanzipation zu verhindern versucht.

Und genau unter diesem Aspekt müssen ihr Umgang mit ihrem Recht, die bewussten Rechtsbrüche und ihre Willkür – aber auch die Polizeigewalt und die Morde – eingeordnet werden: Es gilt das Recht des Stärkeren.

Für ein solidarisches Miteinander

Es handelt es sich also nicht um Einzelfälle – sondern, um ein institutionelles Problem – oder vielmehr ein systemisches Problem. Ein Problem das wir – liebe Genossinnen und Genossen – angehen müssen.

Denn wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der Polizeigewalt der Geschichte angehört, in der nicht das Recht des Stärkeren und Mächtigen gilt – sondern in einer Welt der Solidarität, dann gilt es diesen Staat, seine Vertreter*innen und Profiteure zu delegitimieren und anzugreifen.

Darum heißt es – heute, morgen und an jedem Tag: Gegen Polizeigewalt und gegen die Militarisierung nach innen und außen – und für eine solidarische Gesellschaft zu kämpfen.

Gegen die zunehmende Polizeigewalt in Deutschland!
Für eine solidarische Gesellschaft!


Spenden für die Familie

https://www.gofundme.com/f/ermordeten-jungen-mann-in-stuttgartost

Wir bitten um Spenden, um der Familie des ermordeten jungen Manns in dieser schweren Situation zu helfen.

Der junge Mann war ein Flüchtling aus Algerien, und das algerische Konsulat hat uns zugesichert die Kosten für den Flug seines Leichnams nach Algerien zu übernehmen. Vor seinem Tod hatte die Familie bereits erhebliche Mittel aufbringen müssen, um ihn nach Deutschland zu schicken, damit er hier arbeiten kann. Nun benötigt die Familie dringend Unterstützung, um diese schwierige Zeit zu überstehen.

Wir arbeiten daran, mehr über ihn herauszufinden und Kontakt zu seinen Angehörigen aufzunehmen. Sollten wir die Familie nicht erreichen können, werden wir die Spenden nutzen, um Organisationen zu unterstützen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Spenden in jedem Fall sinnvoll verwendet werden und im Interesse des Verstorbenen sowie seiner Familie stehen.

Lasst uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Familie die notwendige Unterstützung erhält, die sie benötigt.

https://www.gofundme.com/f/ermordeten-jungen-mann-in-stuttgartost


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