
Femizide vor Gericht: Wenn patriarchale Narrative überwiegen
17. August 2025Am 29. Juli fand der zweite Prozesstag um den Femizid an der 25-jährigen Aleyna statt. In Gedenken an Aleyna und als Zeichen der Solidarität haben wir uns zu einer stillen Mahnwache vor dem Landgericht zusammengefunden und im Anschluss den Prozess begleitet.
Schon während des Tages zeigte sich, wie sehr strukturelle patriarchale Denkmuster noch immer das Justizsystem durchziehen. Zwar wurde uns am Morgen mit Verweis auf die notwendige Neutralität des Gerichts untersagt, unsere Mahnwache auf dem Vorplatz abzuhalten – eine Begründung, die formal nachvollziehbar erscheint. Doch im Gerichtssaal selbst wurde deutlich, wie herausfordernd es offenbar ist, dieser Neutralität inhaltlich tatsächlich gerecht zu werden.Während der Täter sich als Opfer inszenierte, fokussierte sich die Justiz bei dem eigentlichen Opfer des Femizids auf ihre Beziehungserfahrungen und ihr Datingverhalten. Ein Fokus, der bei der Aussage des Täters nicht in gleichem Maße gelegt wurde. Damit stützt das Justizsystem, das sich eine neutrale Beurteilung von Fällen auf die Fahne schreibt, patriarchale Erzählungen der „verführenden Frau“ und von „tragischen Beziehungsdramen“ und trägt damit letztlich zu einer erfolgreichen Inszenierung des Mannes als Opfer bei.
Gerade in Prozessen um sexualisierte Gewalt und Femizide wird hierüber versucht, männliche Machtpositionen zu schützen und Aussagen von Frauen und ihre Glaubwürdigkeit zu untergraben. Die BRD hat bereits im Jahre 2017 die Istanbul-Konvention ratifiziert und diese schreibt eigentlich vor, dass es sich strafverschärfend auswirken muss, wenn ein Partner gegen seine aktuelle oder frühere Partnerin Straftaten verübt. Doch anstatt die Konvention zu erfüllen und in deutsches Recht umzusetzen, urteilen die Gerichte hierzulande viel zu oft genau anders herum. So hat der BGH noch 2024 ein Urteil gesprochen, in dem er strafmildernde Umstände erkannte und so mal wieder zementiert, dass wenn Männer Frauen aufgrund einer Trennung töten, das Motiv nachvollziehbar sei. Vor diesem Hintergrund kann der Mörder von Aleyna sich gute Chancen ausrechnen, Mitgefühl beim Gericht zu erheischen und mit einer Täter-Opfer-Umkehr gut weg zu kommen.

Und uns Frauen zeigt sich darin mal wieder die Fratze des patriarchalen Justizsystems, ein System mit den dazugehörigen Gesetzen, die von Männern für Männer geschrieben wurden. Es zeigt sich, wie tief patriarchales Besitzdenken gegenüber Frauen immer noch in unserer Gesellschaft verankert ist und dass patriarchale Gewalt immer noch Normalität und Alltag ist. Wie viele Frauen fragen sich immer wieder, ob sie sich wirklich trennen sollten oder doch lieber gewaltvolle Beziehungen aushalten, ob sie die Beziehung wirklich eingehen wollen oder wie sie sich gegenüber anderen verhalten müssen, da die Gefahr getötet zu werden verdammt real ist. Allein seit Anfang des Jahres wurden mindestens 53 Frauen in der BRD von Partnern/Expartnern oder anderen in ihrem Nahbereich aufgrund patriarchaler Machtansprüche ermordet. Aleyna ist eine von ihnen.
Deshalb ist ihre Mutter Nebenklägerin im Prozess, sagt für sie aus und gibt ihrer Tochter im Prozess ein Gesicht. Sie stellt sich dem Täter und setzt ein starkes und solidarisches Zeichen.
Um weitere Femizide zu verhindern, wird uns das patriarchale Justizsystem nicht helfen, selbst wenn die Istanbul-Konvention sofort vollumfänglich umgesetzt werden würde. Was wir brauchen, ist eine grundlegende Veränderung in unserer Gesellschaft, in der Femizide und jegliche Gewalt gegen Frauen nicht mehr akzeptiert wird, in der die Unterdrückung von Frauen nicht mehr als normal toleriert wird und in der alle Geschlechter tatsächlich gleichgestellt und frei und ohne Angst leben können. Lasst uns das zusammen angehen, denn weder ein patriarchales Justizsystem noch eine patriarchale Gesetzgebung wird uns hier eine Lösung bringen. Lasst uns zusammen stehen Tag für Tag, ob vor Gericht, zuhause oder auf den Straßen unserer Städte!