Strobl spricht – Polizist schießt: 18-Jähriger erschossen

Strobl spricht – Polizist schießt: 18-Jähriger erschossen

2. Juli 2025 Aus Von organisierte autonomie Stuttgart

Wir trauern

Wir trauern um einen jungen Menschen, der letzte Nacht sein Leben verlor – ein Leben, das noch vor ihm lag und das nun so sinnlos durch die Kugel eines Polizisten in den Rücken eines fliehenden Menschen im Bruchteil einer Sekunde genommen wurde.

Wir haben tiefes Mitgefühl mit seiner Familie und seinen Freund*innen und allen, für die durch seine Ermordung nun eine Welt zusammenbricht.


Was wir wissen

In der Nacht auf den 01.07.2025 kam es in Stuttgart-Ost zu einem Polizeieinsatz, an dessen Ende ein 18-Jähriger erschossen wurde – es war der zweite durch die Polizei erschossene Mensch in unserer Region innerhalb weniger Tage.

Vorausgegangen war dem eine Auseinandersetzung in einer Stuttgarter Kneipe. Dabei verletzte der 18-Jährige einen zweiten Mann schwer und floh anschließend. Kurz darauf spürte die Polizei den jungen Mann in einem nahegelegenen Garten auf – über das weitere Geschehen hält sie sich aber auffällig bedeckt.

Anders als letzte Woche, als die Polizei nach dem tödlichen Schuss auf einen Mann bei Göppingen sehr schnell rechtfertigend betonte, dass dieser sie angegriffen habe (im Übrigen ohne Beleg, denn die Bodycams waren wie so oft auch in diesem Fall nicht aktiv), bleibt eine solche „Rechtfertigung“ für den Tod eines Menschen diesmal aus.

„Stehenbleiben oder ich schieße!“

Nach allem, was bisher bekannt ist, fehlt diese Rechtfertigung aus gutem Grund: Das Video eines Zeugen zeigt, wie der junge Mann vor dem Polizist, der ihn aufspürte, über einen Zaun fliehen möchte. Der Polizist ruft daraufhin „Stehenbleiben oder ich schieße“ und tut das dann auch direkt – während der Mann ihm den Rücken zukehrt. Der junge Erwachsene bricht nach einigen Schritten zusammen und stirbt. Laut SWR soll auch in diesem Fall keine Bodycam aktiv gewesen sein. Alle bisherigen Berichte deuten auf „nur“ diesen einen, tödlichen Schuss auf den Flüchtenden hin, von einem Warnschuss ist nirgends die Rede.

Den Abzug drückte einer – gefördert durch Institution und Politik

Egal, was sich genau in dieser Nacht zugetragen hat – fest steht: Die Entscheidung, den Abzug zu drücken, traf dieser eine Polizist – in dem Wissen, dass er dadurch ein Leben auslöschen kann.

Er konnte den Abzug aber auch in dem Wissen drücken, dass sein Handeln von der Institution Polizei ebenso gedeckt werden würde wie auch seitens der Politik.

Wer mit einem Messer einen Polizisten angreift, hat sich entschieden, nicht mehr zu leben“

Diese entmenschlichenden Worte des Innenministers Baden-Württembergs Strobl sind keine Woche alt – und müssen in einen Kontext zur locker sitzenden Waffe der Polizei gesetzt werden. Vorauseilende politische Rückendeckung befeuert die steigende Anzahl der durch die Polizei getöteten Menschen…

Immer mehr Tote durch die Polizei

… ebenso ist auf Rückendeckung nach jedem tödlichen Schuss Verlass:

Geht es nach Ministerpräsident Kretschmann, greift die Polizei nicht vorschnell und unverhältnismäßig zur Waffe und vor allem nicht öfters als früher.

Das verkündete er wenige Stunden nach dem tödlichen Schuss – dass er als Regierungschef des Landes zu diesem Zeitpunkt nicht bereits wusste, dass der Schuss mutmaßlich nicht aus Notwehr geschah, ist ebenso schwer vorstellbar wie seine Kenntnis davon, dass die Polizei immer mehr Menschen erschießt: 2024 auf Bundesebene doppelt so viele wie im Vorjahr, in BW gab es dieses Jahr 8 Schüsse mit 6 Toten. Und trotzdem wird reflexartig jedes Handeln gerechtfertigt.

Die Reaktion: Ermittlungen gegen sich selbst, mehr Waffen, Geld und Befugnisse für die Polizei

Nun ermittelt einmal mehr die Polizei gegen sich selbst, trägt das an die nahestehende Staatsanwaltschaft, und es würde sehr überraschen, wenn hieraus ernsthafte Konsequenzen folgen würden. Worauf aber Verlass ist: Fälle wie dieser werden stetig dafür instrumentalisiert, die Polizei mit noch mehr Waffen, mehr Mitteln und weitreichenderen Befugnissen auszustatten – das Ergebnis sehen wir schon jetzt in einer immer größeren Anzahl durch die Polizei ermordeter Menschen – diese wiederum sind überproportional oft migrantisch gelesen.

Warum?

Was bleibt, ist die Frage, warum der Polizist den 18-Jährigen – wohl ohne Not – so leichtfertig erschoss und ebenso, weswegen dies nur ein weiterer, ähnlicher Fall in einer immer längeren Reihe von Fällen ist.

Der Trend hin zu immer mehr Toten durch die Polizei erzeugt weder eine Befriedung einer aufgewühlten Gesellschaft noch ein Gefühl von Sicherheit – im Gegenteil verschärft er eine gravierende Situation und führt zu einer immer militarisierteren, autoritären Polizei.

Das passt natürlich zu einem Staat, der immer grenzüberschreitender, gewaltvoller und autoritärer agiert und dadurch immer offener zeigt, wessen Interessen er vertritt und wen er beschützt: die Interessen der Wirtschaft sowie der Besitzenden und Herrschenden. Um dies zu gewährleisten, schafft er sich eine Allianz aus Politik und Polizei, die sich im Zweifel wenig um ein Leben schert.

Was tun?

Um dem zu entgegnen, braucht es solidarische Lösungen – wir sind überzeugt, dass eine bessere, friedlichere und sichere Gesellschaft nicht auf dem Weiterbefeuern gesellschaftlicher Konflikte gelingen kann. Im Gegenteil: Es braucht einen gesellschaftlichen und sozialen Ausgleich, der Unterschiede überbrückt und auf gegenseitiger Toleranz und Solidarität beruht. Hierfür stehen wir ein, hierfür haben wir gekämpft und werden weiterkämpfen – zum Trotz einer eskalierenden Polizei und Politik – für ein gerechtes, gutes Leben für alle nach ihren Bedürfnissen!

Wir bleiben dran – bleibt mit uns dran!

Wir werden den Fall des erschossenen jungen Mannes weiter aufmerksam verfolgen, recherchieren und hierzu aktiv werden – bleibt mit uns dran!