
Rückblick & Spendenaufruf: Gedenken an getöteten jungen Mann & Demonstration gegen Polizeigewalt
24. Juli 2025Ein weiterer Mord durch die Polizei als Auslöser
In der Nacht auf den 1. Juli 2025 wurde ein 29-jähriger Geflüchteter aus Algerien in Stuttgart-Ost von einem Polizisten erschossen – ein tödlicher Schuss in den Rücken, abgegeben während der junge Mann, für den Polizisten erkennbar unbewaffnet, zu fliehen versuchte. Dieser Mord war nicht nur ein einzelner „tragischer Vorfall“, sondern Teil einer eskalierenden tödlichen Polizeigewalt in Deutschland: Allein in Baden-Württemberg starben 2025 bereits sechs Menschen durch Polizeischüsse, bundesweit sind es bisher 15. Im gesamten Jahr 2024 wurden 22 Menschen in Deutschland durch die Polizei getötet, was gegenüber dem Vorjahr bereits eine Verdoppelung darstellte.
Trotz dieser erschreckenden Bilanz stellen sich Politiker wie Innenminister Strobl oder Ministerpräsident Kretschmann hinter die Polizei. Strobls Aussage, wer mit einem Messer angreife, habe sich „entschieden, nicht mehr zu leben“, offenbart die Entmenschlichung ganzer Personengruppen und die staatliche Rückendeckung für tödliche Gewalt durch Polizisten. Da diese Aussage nur wenige Tage vor dem Mord in Stuttgart-Ost getätigt wurde, muss sie wie ein durch den Innenminister erfolgter Schießbefehl gelesen werden.
Mediale Rückendeckung für Polizeigewalt
In direkter Folge des Mordes fand eine lokale Zeitung für ihre Verhältnisse erstaunlich kritische Worte zu dem Tathergang. So wurde ein Video von der Tat, aus dem sehr deutlich hervorgeht, dass der tödliche Schuss nicht aus einer Notwehrsituation resultierte, besprochen und der Mord kritisch eingeordnet. Wie durch ihre eigene Courage erschrocken, änderte sich der Ton in der Folge in ein lautes Schweigen. Und komplett gedreht hat sich die Einschätzung am Morgen des 18. Juli, als ein Bericht veröffentlicht wurde, der zwar auf unsere Demo aufmerksam gemacht hatte, jedoch die aufrufenden Organisationen ohne weitere Erläuterung der Gewalt bezichtigte und zu dem Mord, der durch die Polizei stattgefunden hat, komplett schwieg. Wie in der Rede der Migrantifa mit Blick auf die hohe Polizeipräsenz bei der Demo bereits angemerkt, konnte man auch mit Blick auf diesen Artikel den Eindruck gewinnen, wir hätten jemanden erschossen. Unsere gesamte Einordnung dieses Artikels findet sich hier.
Die Demonstration: laut, kämpferisch, solidarisch
Am 18. Juli zogen daher über 200 Menschen unter dem Motto „Strobl spricht – Polizist schießt“ durch die Stuttgarter Innenstadt, um ihre Wut, ihre Trauer und ihren Widerstand sichtbar zu machen. Die Auftaktkundgebung auf dem Rotebühlplatz wurde von verschiedenen Gruppen getragen: Das AABS sprach über den gesellschaftlichen Rechtsruck, das BRIKS-Bündnis thematisierte die Militarisierung nach innen und außen und die Seebrücke beleuchtete die Perspektive von Flucht und Migration.
Die Demonstration war laut, sichtbar und konsequent. Zahlreiche Parolen gegen Polizeigewalt begleiteten den Protestzug. Bezeichnend war das kurzfristig ausgesprochene Verbot, direkt am Polizeirevier vorbeizuziehen und dort eine Zwischenkundgebung abzuhalten – ein deutliches Zeichen, dass die Polizei um die Legitimität unseres Protests weiß und die öffentliche Auseinandersetzung mit ihren Taten scheut. Das medial skizzierte Schreckenszenario wurde durch eine Vielzahl an Polizisten vor dem dortigen Revier unterstrichen. Wir ließen uns es aber auch nicht nehmen auf der gegenüberliegenden Seite im Schritttempo auf die Ermordung und deren Kontext hinzuweisen.
Auf dem Schlossplatz wurde die Abschlusskundgebung durch eine emotionale Rede der Migrantifa eröffnet, gefolgt von einem Beitrag der Organisierten Autonomie über den Zusammenhang zwischen staatlicher Gewalt, Rassismus und kapitalistischen Verhältnissen.






(Den Aufruf zur Demo „Strobl spricht, Polizist schießt“ findet ihr hier)
Bereits eine Woche vorher: Gedenkkundgebung im Stadtteil
Bereits am 11. Juli versammelten wir uns mit weiteren ca. 100 Menschen in Stuttgart-Ost, um dem Ermordeten zu gedenken. Nach einer einordnenden Rede auf dem Ostendplatz vor einem Supermarkt zogen wir still über die Ostendstraße zu dem Tatort. Dort angekommen legten die Teilnehmenden Blumen und Kerzen an dem Ort nieder, an dem der junge Mann sich zunächst vor der Polizei versteckt hatte und wenig später von ihr erschossen wurde.




Solidarität über den Tod hinaus – Spendenaufruf
Der erschossene 29-Jährige war erst wenige Tage in Deutschland. Das Algerische Konsulat hat uns zugesichert, die Kosten für den Flug seines Leichnams nach Algerien zu übernehmen. Vor seinem Tod hatte die Familie bereits erhebliche Mittel aufbringen müssen, um ihn nach Deutschland zu schicken, damit er hier arbeiten kann. Nun benötigt die Familie dringend Unterstützung, um diese schwierige Zeit zu überstehen.
Wir bitten daher um Spenden, um der Familie in dieser schweren Situation zu helfen. Wir arbeiten daran, mehr über ihn herauszufinden und Kontakt zu seinen Angehörigen aufzunehmen. Sollten wir die Familie nicht erreichen können, werden wir die Spenden nutzen, um Organisationen zu unterstützen, die sich für die Rechte von Geflüchteten einsetzen. Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass die Spenden in jedem Fall sinnvoll verwendet werden und im Interesse des Verstorbenen sowie seiner Familie stehen.
Spenden: https://www.gofundme.com/f/ermordeten-jungen-mann-in-stuttgartost
Gegen die tödliche Normalität der Polizei! Gegen Polizeigewalt und gegen die Militarisierung nach innen und außen!
Für Gerechtigkeit, Erinnerung und Solidarität! Für eine solidarische Gesellschaft!
Reden
- Rede des Bündnisses gegen Rassismus und imperialistische Kriege (BRIKS)
- Rede der Seebrücke
- Rede der Organisierten Autonomie
Rede des Bündnisses gegen Rassismus und imperialistische Kriege (BRIKS)
Liebe Genoss:innen, Liebe Freund:innen, Liebe Stuttgarter:innen,
wir sind heute hier auf der Straße, weil deutsche Polizisten mal wieder einen Menschen ermordet haben.
Wir stehen heute hier, weil wir um einen Menschen trauern. Wir stehen heute hier weil wir wütend sind. Wir stehen heute hier, weil wir Gerechtigkeit fordern. Wir stehen heute hier, weil wir Widerstand leisten.
Wir haben alle unterschiedliche Geschichten. Aber wir haben vieles gemeinsam.
Wir werden alle unterdrückt und ausgebeutet. Als Arbeiter:innen, als Migrant:innen, als Frauen, als LGBTI+, als Jugendliche.
Wir haben den selben Feind. Den Kapitalismus, Imperialismus, Zionismus, Faschismus, das Patriarchat. Und auch ganz konkret, den deutschen Staat und seine Polizei.
Während wir hier um einen Menschen trauern, um einen Freund, einen Sohn, einen Cousin, einen Kollegen, einen Nachbarn trauern der von deutschen Polizisten aus rassistischen Gründen ermordet wurde,
Trauern unsere Geschwister in Palästina um ihre Freund:innen, ihre Kinder, ihre Nachbarn, die durch die Bomben der zionistischen Besatzungsarmee ermordet werden.
Unsere Geschwister in Kurdistan trauern um ihre Kinder, um ihre Geschwister, ihre Freund:innen, ihre Nachbarn, die durch den türkischen faschistischen Staat ermordet werden.
Unsere Geschwister im Sudan trauern um ihre Kinder, Geschwister, Freund:innen, Nachbarn.
Überall auf der Welt werden unsere Klassengeschwister durch rassistische, profitorientierte, frauenfeindliche oder LGBTI-feindliche Motive ermordet.
Kurz, sie werden durch das Kapitalistische, Inperialistische, Patriarchale System getötet.
Wer sich gegen dieses System wehrt, bekommt Repression zu spüren. Auch diese Demo hier wurde von den Behörden schikaniert (genaueres muss man schreiben je nachdem wie das Ergebnis vor dem Verwaltungsgericht ist und wie die Cops an dem Tag drauf sind)
Die Repression nimmt zu. Immer häufiger werden Demos verboten oder umgeknüppelt. Die Versammlungs- und Meinungsfreiheit wird eingeschränkt. Die Polizei bekommt immer mehr Befugnissse und Sonderrechte.
Der deutsche Staat rüstet auf. Er weiß dass er in der Krise ist. Die herrschende Klasse hat Angst um ihre Macht.
Es werden hunderte Milliarden ins Militär und die Polizei gesteckt. Für uns sind nur kürzungen drin. Bildung, Gesundheit oder Freizeitangebote werden eins nach dem anderen gekürzt. Die psychischen Erkrankungen unter Jugendlichen und den unterdrückten steigen.
Trotzdem sollen wir als Kanonenfutter an der Front für die Profite der Imperialisten draufgehen. Die Wehrpflicht soll eingeführt werden. Diesem Staat ist es scheiß egal ob wir sterben oder ermordet werden. Hauptsache die Profite der Reichen und mächtigen steigen.
Es wird sich ganz offen auf einen dritten Weltkrieg vorbereitet. Die Gesellschaft soll kriegsgeil gemacht werden. Durch Veranstaltungen wie den „Veteranen-Tag“ soll ein positives Licht auf die deutsche Imperialistische Armee fallen. Wir wissen aber, die Bundeswehr hat noch nie Demokratie oder Menschenrechte verteidigt. Sie verteidigt die Interessen des Kapitals.
Die Imperialistischen Kriege zerstören die Lebensgrundlage der unterdrückten Völker. Die Menschen haben die Wahl zwischen Tot oder Flucht. Entweder sie sterben durch Bomben Made in Germany, oder durch illegale Pushbacks auf dem Mittelmeer Made in EU.
Und wenn Geflüchtete es doch nach Deutschland schaffen, werden sie in Lager gesteckt, rassistisch behandelt und sind gezwungen ihre Arbeitskraft für weniger als Mindestlohn zu verkaufen.
Geflüchtete und Migrant:innen werden als Sündenböcke für alles benutzt.
Egal ob die Miete steigt, ob Frauen und LGBTI-feindlichkeit zunimmt oder bei was auch immer. Die Schuld wird immer bei Geflüchteten und Migrant:innen gesucht.
Der wahre Feind, der wahre Grund für die steigenden Lebenskosten, für die zunehmende Frauen- und LGBTI+ feindliche Gewalt liegen im herrschenden system. Im Kapitalismus, Imperialismus, Faschismus, Zionismus, Patriarchat.
Lasst uns also gemeinsam für eine Welt kämpfen in der es keine Unterdrückung und Ausbeutung gibt. Eine Welt ohne Rassismus oder rassistische Polizei. Eine Welt ohne imperialistische Kriege.
Eine Welt ohne Kapitalismus. Ohne Imperialismus. Ohne Faschismus. Ohne Patriarchat. Ohne Zionismus.
Lasst und gemeinsam für eine befreite Welt kämpfen.
Rede der Seebrücke
Rassistische Hetze findet immer mehr Akzeptanz. Immer wieder erleben wir, wie medial Gewalt oder Mord von Polizist*innen verharmlost oder gerechtfertigt wird, vor allem dann wenn Betroffene Geflüchtete oder Menschen mit Migrationshintergrund sind. Wie auch bei diesem Fall in Stuttgart Ost, bei diesem jungen Geflüchteten.
Immer wieder wird ein Bild vom gewalttätigen Geflüchteten gezeichnet. Diese Hetze geht immer weiter, überall, schon lange: im Wahlkampf, in den Zeitungen, auf Social Media, bei den Stammtischgesprächen.
Was sich aber geändert hat ist der Protest. Den rechten Argumenten wird gesamtgesellschaftlich immer weniger entgegnet.
Und so verfestigt sich das Bild vom gefährlichen Geflüchteten. Mehr oder weniger heimlich finden rechte Parolen immer mehr Zuspruch. Aber nicht mit uns!
Denn: Das gemalte Bild entspricht nicht der Realität!
Menschen mit Migrationshintergrund werden in den Medien überproportional oft im Zusammenhang mit Gewaltdelikten genannt, die tatsächlichen Daten der polizeilichen Kriminalstatistik geben aber keine Hinweise, dass Menschen mit Migrationshintergrund krimineller sind, als Menschen ohne Migrationshintergrund.
Diese verzerrte Darstellung ist nichts anderes als Rassismus!
Angela Davis hat gesagt: “If they come for me in the morning, they will come for you in the night.” – Wenn sie morgens kommen um mich zu holen, kommen sie abends zu dir.
Diese Warnung gilt auch heute!
Die rechte Politik die zurzeit von Merz und co gemacht wird, will die Gesellschaft spalten. Es wird nach unten getreten und ein Feindbild geschaffen – die Geflüchteten. „Die“ nehmen unsere Wohnungen weg, unser Geld und erschöpfen unseren Sozialstaat.
Dabei sind nicht Geflüchtete verantwortlich für Wohnungsnot und Armut. Es sind große Immobilienkonzerne, die systematisch mit Wohnraum und Leerstand Profit machen. Es sind überreiche Steurhinterzieher*innen, die den deutschen Staat jährlich Milliarden kosten, viel mehr als ein paar „Bürgergeldbetrüger“. Wo ist hier der große Protest? Diese Auseinandersetzungen brauchen Mut.
Die Gesellschaft hat anscheinend die falsche Hoffnung, dass es ohne Migration mehr Sicherheit oder Stabilität in Deutschland gibt.
Die aktuelle Hetze schafft eine Atmosphäre in der die Rechte der Geflüchteten mit Leichtigkeit immer weiter beschnitten werden:
Wenn wir sie nicht schon im Mittelmeer sterben lassen und sie die schrecklichen Fluchtwege überstanden haben verhindern wir ihre Einreise mit illegalen Pushbacks. Hier angekommen verhindern wir den Familiennachzug und lassen sie alleine. Mit der Bezahlkarte machen wir sie zu Menschen zweiter Klasse, ausgeschlossen vom Rest der Gesellschaft.
Wir fordern sie auf zu arbeiten, wenn es sein muss auch Zwangsarbeit für 2-3 Euro die Stunde,aber verhindern gleichzeitig ihren Zugang zum Arbeitsmarkt. Ich könnte noch weiter machen.
Aber:
If they come for me in the morning, they will come for you in the night. Dieser Satz sollte uns eine Mahnung sein. Lasst uns verstehen, dass wir gemeinsam kämpfen müssen. Lasst uns der Gesellschaft klar machen, dass wir solidarisch sein müssen, nicht gegen Geflüchtete oder Migrant*innen, sondern gegen rechte Politik, Überreiche und profitgierige Konzerne.
Alles was wir haben sind wir selbst. Lasst uns solidarisch sein!
Dazu gehört auch Solidarität in der Bekämpfung von Fluchtursachen: statt weiter zu polemisieren lasst uns unsere wirklichen Probleme angehen:
- Kriege und Konflikte müssen enden
- Klimawandel muss gestoppt,
- Ressourcen gerecht verteilt werden
Wir sind nur gemeinsam stark.
SAY IT LOUD SAY IT CLEAR: REFUGEES ARE WELCOME HERE.
KEIN MENSCH IST ILLEGAL.
Rede der Organisierten Autonomie
Wenn auf Worte Taten folgen – so könnte man die Geschehnisse vom 1. Juli umschreiben, welche die Erschießung eines 29-Jährigen in Stuttgart-Ost zur Folge hatte. Der junge geflüchtete Mann wurde erschossen – und zwar auf der Flucht.
Keine Spur von Gefahrenlage oder Ähnlichem.
Er wurde hinterrücks von einem Polizisten erschossen.
Dies ist kein Einzelfall – erinnern wir uns zurück an Lorenz, der im April in Oldenburg mit mehreren Kugeln in den Rücken ermordet wurde, oder auch an den Fall in Wangen im Landkreis Göppingen, nur wenige Tage vor dem Mord in Stuttgart.
Selbst die Innenministerkonferenz stellte fest: In den letzten Jahren wird vermehrt zur Dienstwaffe gegriffen – und damit einhergehend gibt es auch mehr Tote und Verletzte durch Bullenhand.
Begründet wird dies oft mit der sich angeblich zuspitzenden Gefahrenlage und der Ausweglosigkeit der Situationen – aber wenn wir uns diese Fälle – ja diese Morde – mal genauer anschauen, dann stellt sich die Frage:
Welche Gefahr geht von einem fliehenden Menschen aus? Welche Gefahr geht von jemandem aus, dem die Polizei in den Rücken schießt?
Es geht nicht um die Gefahrenlage. Es geht um die gesellschaftliche Stimmung und die verbale und militärische Aufrüstung nach innen, die diese Tötungen mit hervorruft.
Eine Aufrüstung, die durch angstschürende Medien legitimiert und aktiv durch die Politik vorangetrieben wird.
Dies wurdeuns erst kürzlich wieder exemplarisch vom baden-württembergischen CDU- und „Law-and-Order“-Innenminister Strobl vorexerziert:
Nach dem Mord an dem geflüchteten Mann in Wangen nahm Strobl die Verantwortlichen in Schutz und verdrehte das Opfer zum Täter.
Der Mann sei selbst schuld gewesen und jeder, der sich mit vermeintlichen Waffen gegenüber der ausführenden Staatsgewalt positioniere, habe sich dazu entschieden, nicht mehr zu leben. Kurz: Muss damit rechnen, über den Haufen geschossen zu werden.
Im Klartext heißt das: Jeder und jede, der oder die aus polizeilicher Sicht subjektiv den Anschein erweckt, Gewalt gegen Cops und Vollzugsbeamt*innen anzuwenden, darf erschossen werden.
So die öffentlich geäußerte Anweisung von Innenminister Strobl – dem die Polizei untersteht.
Damit kann sich jeder abdrückende Bulle vorausgehend der politischen Rückendeckung sicher sein: Man wird ihm eine nachträgliche Rechtfertigung konstruieren.
Kein Wort von Abwägung der Mittel, kein Wort von Verhältnismäßigkeit, kein Wort von Verantwortung der Exekutivorgane – oder anderen liberalen Phrasen, die man sonst so kennt.
Nein, der bürgerliche Staat versucht nicht einmal mehr, den Anschein zu wahren, dass es sich um den viel zitierten Rechtsstaat handle.
Das zeigt sich auch an vielen weiteren Punkten – auch in der Abschiebepolitik der BRD: Da wird verbal gegen geflüchtete Menschen gehetzt, von einem vollen Boot fabuliert und Geflüchteten fundamentale Menschenrechte abgesprochen.
Gleichzeitig werden rechtlich nicht haltbare Abschiebungen bspw. – wie heute erst wieder geschehen – nach Afghanistan durchgeführt.
Und damit wissentlich das eigene, plötzlich hinderliche, Recht gebrochen und unumkehrbare Fakten geschaffen. Denn: Einmal in Afghanistan angekommen, ist es fast unmöglich, sich den Weg zurück nach Deutschland zu erstreiten.
Auf die gleiche Art und Weise kann man sich auch unliebsamer Akteur*innen entledigen – wie das Beispiel der non-binären Antifaschist*in Maja zeigt:
Maja wurde unrechtmäßig nach Ungarn ausgeliefert.
Auch hier wurde bewusst Recht gebrochen, die verantwortlichen Beamt*innen gedeckt und damit ein schwer umkehrbares Verhältnis geschaffen, das als Willkür benannt werden muss.
Aber auch Demonstrationen und Proteste – überall und auch hier in Stuttgart – werden, wenn sie zu unliebsam werden, mit der Gewalt des Staates angegriffen, mit Redeverboten belegt und zu verhindern versucht.
Die Liste der Beispiele ließe sich noch ewig fortführen. Was aber als Fazit gezogen werden kann, ist, dass die Abfolge immer dieselbe ist:
Politiker*innen dämonisieren, rüsten verbal auf und legitimieren im Vorfeld damit schon mal jegliches Handeln – auch über ihr eigenes Recht hinaus – und bereiten damit auch die Basis für eine militärische Aufrüstung.
Was darauf folgt, ist die unumkehrbare Exekution des durch die Politik beschriebenen. Menschen werden einfach abgeschoben, Cops werden immer schießwütiger, wenden willkürliche, völlig unverhältnismäßige Gewalt an, Demonstrationen werden im Vorfeld (auch mit Unterstützung der Medien – Grüße gehen raus an die Stuttgarter Zeitung) dämonisiert, verleumdet und dann mit physischer Gewalt unterdrückt – und die ausführenden Uniformierten haben dabei die Rückendeckung und auch den Wunsch, genau so zu handeln, aus Institutionen und Politik.
Es wird deutlich, dass dieses Vorgehen sich hauptsächlich gegen diejenigen richtet, die entweder Kritik an Staat und den hiesigen Verhältnissen haben und die darin immer deutlicher werdenden Widersprüche aufzeigen oder aber als ökonomisch störend und nicht verwertbar kategorisiert werden.
Denn wenn sich Konzerne nicht an Umweltauflagen halten, erhalten sie statt Vorverurteilung durch die Politik eher Schützenhilfe für ihre dreckigen Machenschaften. Ebenso bekommen diese Politiker*innen wundersame Gedächtnislücken oder ganz neue Moralvorstellungen, wenn es um verschwundene Cum-Ex-Milliarden oder korrupte Maskendeals geht – gleichzeitig feiern sie jede neue, noch höhere Abschiebestatistik wie einen Lottogewinn und liefern sich einen Überbietungswettbewerb darin, wer auf Menschen am Existenzminimum noch härter eintreten und ihnen noch mehr wegnehmen kann.
So wird klar, für wen diese sogenannten demokratisch legitimierten Volksvertreter*innen da sind. Und für wen der Staat und die sog. Staatsmacht in Form von Polizei, Justiz und Institutionen da ist:
Nämlich nicht für uns – die Klasse der Lohnabhängigen –, sondern für die Besitzenden, die Milliardär- und Millionär*innen, für diejenigen, die ihren – von uns produzierten – Reichtum nicht teilen wollen. Es ist der Staat der Reichen und Mächtigen und nicht unserer. Es ist der Staat, der im Klassenkampf von oben agiert und dorthin weiter umverteilt.
Dieser Staat ist es, der uns bekämpft, der Menschen in den Rücken schießt, uns kleinhalten soll und jegliche gesellschaftliche Emanzipation zu verhindern versucht.
Das ist es, was den Staat und die Staatsgewalt ausmacht.
Und genau unter diesem Aspekt müssen ihr Umgang mit ihrem Recht, die bewussten Rechtsbrüche und ihre Willkür – aber auch die Polizeigewalt und die Morde – eingeordnet werden: Es gilt das Recht des Stärkeren. Ein Recht, das zunehmend autoritär, härter, gewaltvoller umgesetzt wird, während die Fassade des liberalen, bürgerlichen Staats immer mehr und immer schneller zerbröckelt.
Auch hier in Stuttgart handelt es sich also NICHT um einen tragischen Einzelfall.
Nein, es handelt sich um ein institutionelles Problem – oder vielmehr ein systemisches Problem. Ein Problem, das wir – liebe Genossinnen und Genossen – angehen müssen.
Denn wenn wir in einer Gesellschaft leben wollen, in der Polizeigewalt der Geschichte angehört, in der nicht das Recht des Stärkeren und Mächtigen gilt – sondern in einer Welt der Solidarität – dann gilt es, diesen Staat, seine Vertreter*innen und Profiteur*innen zu delegitimieren und anzugreifen.
Darum lasst uns solidarisch zusammenstehen und kämpfen: gegen Polizeigewalt, gegen den autoritären Staat in diesem System und gegen die Militarisierung nach innen und außen – für eine solidarische Gesellschaft!Heute, morgen und an jedem anderen Tag!