
Bericht: Keinen Schritt zurück – Demonstration gegen den „Lebensschützer-Kongress“
25. Mai 2025Wir dokumentieren hier den Bericht der Fraueninitiative Schwäbisch Gmünd zur Demonstration gegen den „Lebensschützer-Kongress“ am Schönblick am 10. Mai 2025.
Vom 09. bis 11. Mai 2025 fand zum zweiten Mal der bundesweite Vernetzungskongress „Leben.Würde“ der selbsternannten „Lebensschützer“ im Schönblick in Schwäbisch Gmünd statt. Es handelt sich dabei um ein Treffen rechts-klerikaler Abtreibungsgegner*innen, die unter dem Deckmantel des Lebensschutzes all jenen Menschen die Rechte absprechen wollen, die nicht in ihre tradierten Rollenbilder und starren Gesellschaftsstrukturen passen. Mit ihren reaktionären, antifeministischen und antihumanistischen Positionen wird in diesen Kreisen ein Weltbild vertreten, das gesellschaftliche Errungenschaften akut bedroht und zurückdrehen will. Als Teil der christlichen Rechten stehen die „Lebensschützer“ für ein Zurück zur „alten Ordnung“. Dies bedeutet eine Retraditionalisierung von Geschlechter- und Familienbildern, eine weitere Stärkung des Patriarchats wie auch die Aufrechterhaltung kapitalistischer Ausbeutungsverhältnisse und sozialer Ungleichheiten.
Mehr als Anlass genug, uns dem entgegenzustellen: Deshalb waren wir am Samstag, dem 10. Mai, auf der Straße, um klar Position zu beziehen und gegen Antifeminismus und gegen gesellschaftlichen Rollback laut zu werden. Insgesamt rund 300 Menschen fanden sich ab 12 Uhr zur Kundgebung auf dem Oberen Marktplatz und zur Demonstration durch die Gmünder Innenstadt ein. Gemeinsam trugen wir unsere Kritik am „Lebensschützer“-Kongress, ihren rückwärtsgewandten, menschenfeindlichen Inhalten und auch am Schönblick, der als Austragungsort und einflussreicher Player in der Region das Vernetzungstreffen erneut möglich machte, nach außen.
Mit insgesamt fünf Redebeiträgen wurden verschiedene Inhalte unseres Gegenprotests abgedeckt. Zunächst sprach die Fraueninitiative Schwäbisch Gmünd, die die Demonstration organisierte. Es folgte ein Beitrag der Medical Students for Choice Regensburg. Im Anschluss sprachen Nina Eisenmann von der Partei Die Linke Schwäbisch Gmünd, eine Aktivistin der Antifaschistischen Queeren Aktion Stuttgart (AQA) und zum Abschluss eine Vertreterin der Organisierten Autonomie Stuttgart (OA):
- Die Fraueninitiative Schwäbisch Gmünd kritisierte insbesondere den zutiefst antifeministischen Kern der Bewegung: Die Forderung nach einem radikalen Abtreibungsverbot steht dem Recht auf körperliche Selbstbestimmung massiv entgegen. Die Lage zum Schwangerschaftsabbruch ist schon jetzt prekär, selbsternannte „Lebensrechtler“ wollen das Rad noch weiter zurückdrehen:
„Es sollte doch eine Selbstverständlichkeit sein, dass Frauen und gebärfähige Personen das Recht haben, selbst über ihren Körper zu entscheiden. Stattdessen werden ungewollt Schwangere stigmatisiert und kriminalisiert und von der aktuellen Gesetzgebung entmündigt und bevormundet. Dies ist nicht nur ein Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung, sondern im Grunde auch ein radikales Absprechen der Fähigkeit, selbstbestimmt leben, handeln, denken und reflektierte Entscheidungen treffen zu können!“ (Auszug Redebeitrag Fraueninitiative)
- Auch im Beitrag der Medical Students for Choice wurden die gravierenden Missstände in Deutschland thematisiert: Die Versorgungslage hat sich in den letzten Jahren sogar weiter massiv verschlechtert und hinsichtlich der Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs ist wohl auch mit der neuen Regierung keine Besserung in Sicht. Wie die sogenannte „Lebensschutz“-Bewegung auch hier dagegen steuert, zeigt bspw. die gezielte politische Einflussnahme der Kongressteilnehmerin Prof. Dr. Angela Köninger. Sie kontaktierte im letzten Jahr Bundestagsabgeordnete, die gegen die Abschaffung von Paragraph 218 StGB stimmen sollten, ohne allerdings ordnungsgemäß ihre Interessen- und Vorhabenbereiche im dafür vorgesehenen Lobbyregister transparent zu machen!
„Das ist keine funktionierende Versorgung – das ist ein strukturelles Versagen. Und es trifft ausgerechnet diejenigen am härtesten, die sich in einer ohnehin belastenden Situation befinden. Was es braucht, sind bessere Informationen und eine flächendeckend sichergestellte, niederschwellige Versorgung.“ (Auszug Redebeitrag Medical Students for Choice)
- Nina Eisenmann von der Partei Die Linke stellt in ihrer Rede neben dem vollumfänglichen Grundrecht auf Selbstbestimmung eben auch die Forderung nach einem Ende des sozialen Kahlschlags. Das heißt für Frauen, die sich für ein Kind entscheiden: Soziale und ökonomische Unterstützung, um – über den Geburtstermin hinaus – ein menschenwürdiges Aufwachsen und Leben zu ermöglichen:
„Wir leben in einem Land, in dem jede dritte Alleinerziehende in Armut lebt. In dem Kinderarmut zur Normalität geworden ist. In dem Menschen sich entscheiden müssen: Zahnarzt fürs Kind – oder warme Jacke im Winter. In diesen Zeiten stellen sich Menschen auf eine Bühne, die das Recht auf Schwangerschaftsabbruch verbieten wollen – aber gleichzeitig Kitaplätze streichen, Pflegekräfte unterbezahlen, Hebammen aus dem Beruf treiben und Familienberatungsstellen dichtmachen! Ihr schützt kein Leben – ihr gefährdet es.“ (Auszug Redebeitrag Nina Eisenmann/ Die Partei Die Linke)
- Die Sprecherin der Antifaschistischen Queeren Aktion Stuttgart macht in ihrer Rede klar: Wie bspw. Referenten des Kongresses zeigen, vertreten die selbsternannten „Lebensschützer“ massiv queerfeindliche Positionen. Sie stehen für ein Beharren auf tradierte, veraltete Geschlechter- und Familienbilder, sie kämpfen für die Entrechtung von LGBTQI+ und gegen die Anerkennung vielfältiger Lebensformen. Sie tragen damit zu steigendem Hass, zu Hetze und Gewalt gegen queere Menschen bei.
- Abschließend erfolgte eine Gesamteinordnung der Organisierten Autonomie zur „Lebensschutz“-Bewegung und der Gefahr, die sie für eine offene, moderne und emanzipatorische Gesellschaft darstellt. In Allianzen zwischen rechten Hetzer*innen, christlichen Hardlinern und Antifeminist*innen mit der Kernforderung des radikalen Abtreibungsverbots wird weltweit – teils verschleiert, teils offen – ein gesellschaftlicher Rückschritt vorangetrieben, der uns in eine fortschrittsfeindliche, streng patriarchale und autoritäre Gesellschaft führt:
„Die Bewegung der Lebensschützer sind Teil einer reaktionären und rückwärtsgewandten Bewegung und international gut vernetzt. Dass diese Bewegungen gesellschaftliche Veränderungen erreichen können, zeigt sich mit Blick auf Polen, die USA und Ungarn, in denen Pro-Life Bewegungen und ihre Ableger gesetzliche Regelungen verändert und durch die Verschiebung des Diskurses das gesellschaftliche Bild nachhaltig zum Schlechten beeinflusst haben. Dabei war die rechte Einheit in Fragen um Abtreibungsverbot und Familienbilder oft nur das Einfallstor für weitere gesellschaftliche Verbote und Verschärfungen.“ (Auszug Redebeitrag Organisierte Autonomie)
Es folgte unsere gemeinsame Demonstration durch die Gmünder Innenstadt: Bei Sonnenschein und guter Stimmung wurde lautstark darauf aufmerksam gemacht, dass wir mit dem zeitgleich stattfindenden Kongress der „Lebensschützer“ und ihrem antiquierten, christlich-rechten Weltbild nicht einverstanden sind. Hierzu wurden Parolen gerufen wie: „Kinder oder keine, entscheiden wir alleine!“, „I raise my fist and I raise my voice – my body, my choice!“ oder auch „Frauen, die kämpfen, sind Frauen, die leben“. In der Remsstraße durchbrach der Demonstrationszug mit lautem Jubel ein Papierbanner mit der Aufschrift „Patriarchat durchbrechen“ – ein kraftvolles Zeichen gegen patriarchale Strukturen!
Gemeinsam haben wir es geschafft, dass der „Lebensschützer“-Kongress in Schwäbisch Gmünd nicht ohne weiteres Aufsehen stattfinden konnte! Bereits im Vorfeld klärten wir durch einen Infostand auf und konnten unsere Positionen und Forderungen auch auf weiteren Kanälen in die Öffentlichkeit tragen. Mit der zentralen Demonstration haben wir nun unseren Protest sichtbar in die Stadt getragen!
Wir bedanken uns herzlich bei allen, die mitgemacht und uns unterstützt haben! Vielen Dank sowohl für die tollen und vielfältigen Redebeiträge als auch für die angereisten Rednerinnen! Vielen Dank auch an unsere engagierten Genoss*innen aus Stuttgart, Karlsruhe und Nürnberg, die bereits im Vorfeld ihre Verstärkung angekündigt haben. Zusammen kämpfen wir weiter!
Denn wir wollen keinen Schritt zurück: Wir stehen auch weiterhin zusammen gegen Antifeminismus und gesellschaftlichen Rollback!
Wir wollen gemeinsam einen Schritt voran: Für ein selbstbestimmtes Leben und Lieben. Für eine aufgeklärte, emanzipatorische und solidarische Gesellschaft für alle!
Fraueninitiative Schwäbisch Gmünd
Mai 2025
Die Redebeiträge und weitere Bilder sind auf der Kampagnenseite zu finden