Am 18. März und darüber hinaus: Freiheit für alle politischen Gefangenen

Am 18. März und darüber hinaus: Freiheit für alle politischen Gefangenen

11. März 2025 Aus Von organisierte autonomie Stuttgart

Der 18. März als Tag der politischen Gefangenen ist ein Teil der Geschichte des Kampfes für eine befreite und klassenlose Gesellschaft. Dieser alte Kampf hält bis heute an und verschärft sich zusehends. Wir erleben eine Welt im Umbruch. Der sogenannte kollektive Westen verliert seit Jahren und immer deutlicher an Strahlkraft. Bündnisse, die sich explizit von diesem Westen abkoppeln und ein Gegengewicht aufbauen, gewinnen an ökonomischer und militärischer Macht. Die Antwort des westlichen Imperialismus unter Führung der USA entspricht hierbei der kapitalistischen Logik, was mit massiver Aufrüstung und Militarisierung einhergeht. Hierbei lassen die Staaten bzw. deren Repräsentant*innen zunehmend die völkerrechtlichen Masken fallen und vertreten die eigenen Interessen unverblümter als je zuvor.

Im Zuge dieser Verschiebungen sieht die deutsche Bourgeoisie den Zeitpunkt gekommen, verstärkt in den globalen Machtkampf einzusteigen. Als Vorwände hierfür werden angeblich drohende Gefahren durch insbesondere Russland und China an die Wand gemalt. Zusätzlich wird die verstärkte Fokussierung der USA auf den Kampf mit China herangezogen, um eine Verstärkung der europäischen Kriegsfähigkeit – am liebsten unter BRD-Führung – als notwendig zu “rechtfertigen”. Stichworte sind die bereits im Grundgesetz verankerte Ermächtigung zu Kriegskrediten von bis zu 100 Mrd. EUR ebenso wie die im Rahmen der Sondierungsgespräche der voraussichtlich künftigen Koalition vereinbarte unbeschränkte Ermächtigung für Aufrüstung. Ideologischen Flankenschutz erhält die Aufrüstung durch die Forderung, dass die deutsche Bevölkerung “kriegstüchtig” werden solle.

Die nach außen gerichtete Militarisierung geht einher mit einer Militarisierung nach innen, was nichts anderem als einer anderen Bezeichnung für Repression entspricht. Hintergrund ist, dass die massiven Gelder für Kriegsgerät zwar kurzfristig mit Krediten bezahlt werden können, mittel- bis langfristig jedoch in kapitalistischer Logik zwingend Kürzungen im sozialen Bereich mit sich bringen. Folglich muss allein präventiv jede widerständige Bewegung im Keim erstickt werden. Daher ist die zunehmende Repression auch nicht als ein Zeichen der Schwäche der aktuell Herrschenden zu sehen, auch wenn der äußere Anlass aus einer Bedrohungslage konstruiert wird. Dahinter steckt der Versuch, die Situation in eine neue Form der militärischen Stärke – im Fall der BRD zumindest derzeit noch im Bündnis der EU – umzumünzen. Alle Bewegungen, die sich antimilitaristisch, antifaschistisch und antikapitalistisch betätigen, sind daher potenzieller Sand im Getriebe der Aufrüstung und in der Aufrechterhaltung der herrschenden Ordnung.

Selbstverständlich entspringt nicht sämtliche Repression direkt den Notwendigkeiten, die anstehende Aufrüstung ungestört über die Bühne zu bekommen, und sie nimmt nach wie vor unterschiedliche Formen an. Allgemein lässt sich feststellen: Wer sich gegen dieses System der organisierten Unterdrückung und Ausbeutung auflehnt und für eine gerechte, solidarische Gesellschaft kämpft, bekommt früher oder später die Repression des Staates zu spüren. Dies lässt sich auch an einigen aktuellen Beispielen erkennen:

  • Seit August 2024 sitzt der Stuttgarter Antifaschist Nico eine 3-jährige Haftstrafe ab. Ihm wird vorgeworfen, sich an der sogenannten Stuttgarter Krawallnacht beteiligt zu haben. Zur Erinnerung: dabei handelte es sich um eine spontane Reaktion auf die verschärfte Verfolgung, insbesondere migrantisch Gelesener durch die Bullen während der Corona-Zeit.
  • Seit Mai 2024 sitzt die Nürnberger Antifaschistin und linke Aktivistin Hanna in U-Haft, weil ihr vorgeworfen wird, am sogenannten Tag der Ehre in Budapest Nazis angegriffen zu haben. In dem gesamten “Budapest-Komplex” stehen weitere Antifas im Fokus der Repressionsbehörden. U.a. wird damit “argumentiert”, dass das Einschreiten gegen Nazis im Ausland dem Bild der BRD schaden würde. Eine Aussage, die so über die Teilnahme von deutschen Nazis an diesem Gedenkmarsch nicht überliefert ist.
  • Eine weitere Inhaftierung in diesem Komplex betrifft die non-binäre Antifaschist*in Maja. Maja wurde in einer Nacht-und-Nebel-Aktion über Österreich nach Ungarn abgeschoben, wo nun der Prozess gegen Maja begonnen hat. Ein auch nur annähernd rechtsstaatliches Verfahren ist dort, gerade angesichts von Majas Geschlechtsidentität, ausgeschlossen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Abschiebung als rechtswidrig eingestuft – ein Urteil, das die Berliner Behörden lediglich „zur Kenntnis genommen“ haben.
  • Neben Hanna und Maja sind 9 weitere Personen im Rahmen des Budapest-Komplexes in Frankreich, Deutschland und Italien in U-Haft. 3 Personen sind weiterhin untergetaucht.
  • Seit Jahren und bis heute wird die kurdische und türkische Linke von den deutschen Behörden verfolgt und nahezu regelmäßig angebliche Kader mit dem Vorwurf des §129b (Mitgliedschaft/Unterstützung einer “terroristischen Vereinigung im Ausland”) eingeknastet. Derzeit sitzen in Stammheim Mazlum und Mehmet Ali ein.
  • In der Folge des 7.10.2023 hat sich zudem die Repression gegen die palästinensische Bewegung massiv verschärft. So wird Kritik am genozidalen Vorgehen Israels in Gaza und darüber hinaus nahezu vollständig als Antisemitismus “bewertet”. In der Folge sind Demos in Solidarität mit Palästina bundesweit mit massiven Auflagen belegt, die eine einigermaßen normale Durchführung verunmöglichen (sollen). Inkl. dem Verbot von Fahnen und anderer als deutscher und englischer Sprache.

Und dabei handelt es sich nur um einige Beispiele für Repressionsfälle. Ganz allgemein gesprochen sind antifaschistische und antikapitalistische Proteste mit einer sich verschärfenden Kriminalisierung konfrontiert, bei der auch immer öfters den Angeklagten Knast oder hohe Bewährungsstrafen drohen.

Gleichzeitig gibt es neue gesetzliche Verschärfungen, die die Befugnisse der Behörden weiter ausweiten, und so verwundert es auch nicht, dass immer wieder ein Diskurs über das Verbot von linken Strukturen forciert wird.

Widerstand – Repression – Solidarität

Repression zielt dabei darauf ab Kämpfe zu unterdrücken und letztlich zu zerschlagen, um die herrschende Ordnung mit aller Gewalt aufrechtzuerhalten und die entstehenden Klassenkämpfe zu verhindern – einerseits akut, andererseits präventiv, um die ideologische Vorherrschaft über die Geschichte zu gewinnen, aber auch durch Einschüchterung und Abschreckung Aktivist*innen abzuhalten, diesen Kampf aufzunehmen oder weiterzuführen.

D.h. dass Repression uns alle was angeht: Wenn der Kampf um Befreiung, der Kampf für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung angegriffen wird, dann werden wir alle angegriffen – auch wenn es nur einzelne trifft.
Umso notwendiger ist es, am 18. März, aber auch Tag für Tag, dieser Repression unsere Solidarität entgegenzusetzen. Denn wenn Repression in der kapitalistischen Logik auf Widerstand folgt, so muss in einer revolutionären Logik Solidarität auf Repression folgen.
Und während die Herrschenden sich in der Verfolgung von politischen Aktivist*innen ziemlich einig sind, so muss es für uns darum gehen in der Frage der Solidarität ideologische und politische Unterschiede zu überwinden, um den Angriffen unsere geschlossene Solidarität entgegenstellen zu können und gemeinsam den Kampf für eine befreite Gesellschaft weiterzuentwickeln.

Zeigen wir uns also solidarisch mit allen, die mit Repression konfrontiert sind, und mit den Gefangenen, die für die Perspektive einer Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung kämpfen und weltweit in Knästen weggesperrt sind. Nutzen wir den Tag der politischen Gefangenen und zeigen ihnen, dass sie nicht allein sind.

Freiheit für alle politischen Gefangenen!

Kundgebung: Dienstag, 18.03, 17:30 Uhr
Vor der JVA Stammheim
U15 Stammheim


Geschichte des 18. März

Der 18. März ist der Jahrestag der Pariser Kommune, der erste proletarische Versuch einer sozialistischen Umwälzung. Die Pariser Kommune wurde während des Deutsch-Französischen Krieges (1870-1871) spontan gebildet, vertrieb die konservative Zentralregierung aus der Hauptstadt Frankreichs und errichtete mit rätedemokratischen und sozialistischem Vorbild einen „Stadtrat“.

Fortan – für 72 Tage – regierte die Pariser Kommune bis zum 28. Mai 1871, als die Regierungstruppen die Macht über Paris wieder übernahmen. Die Reaktion übte nach ihrem Sieg an den Kommunard*innen blutige Rache. Mehr als 20.000 Männer und Frauen wurden getötet und mehr als 40.000 zu meist lebenslangen Haftstrafen verurteilt.
So wurde der 18. März von der Internationalen Roten Hilfe 1923 zum Tag der politischen Gefangenen ausgerufen, als Erinnerung an die Kommune, als Geschichte des Aufbruchs, aber auch als Erinnerung an die Repression. Mit diesem Datum wurde auch der Zusammenhang zwischen Revolution und Konterrevolution, also dem Kampf gegen die bestehenden Verhältnisse und der daraus folgenden Repression deutlich gemacht.

Im Faschismus wurde der 18. März verboten und konnte auch auf Grund der Repression nicht mehr begangen werden. Nach dem Faschismus wurde der 18. März erst wieder 1996, auf Initiative von Libertad, zum Aktionstag für die Freiheit der politischen Gefangenen begangen. Seither wird dieser Tag jedes Jahr mit Veranstaltungen, Demos oder anderen Aktivitäten begangen.

In Stuttgart wird seit einigen Jahren am 18. März vor den Knast in Stammheim gegangen, um den Gefangenen deutlich zu machen, dass wir sie nicht vergessen haben und dass sie weiterhin Teil der Kämpfe sind.


Unterstützer*innen:

  • ADHK – Konföderation für Demokratische Rechte in Europa
  • AGIF – Föderation der ArbeitsmigrantInnen in Deutschland
  • ATIK – Konföderation der Arbeiter*innen aus der Türkei in Europa
  • Azadi – Rechtshilfefonds für Kurdinnen und Kurden in Deutschlands
  • FKO Frauenkollektiv Stuttgart
  • Organisierte Autonomie Stuttgart
  • Rote Hilfe Stuttgart
  • Solidaritätnetzwerk Stuttgart
  • TSP – Stimme der Gefangenen